Nordschwäbische Jugend-EM 2009/10

 

U18 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Punkte
1. Maximilian Adam   ½ 1 ½ + 1 + 5
2. Julia Riedelsheimer ½   1 ½ + 0 + 4
3. Erich Lambacher 0 0   1 ½ 1 + 3½
4. Bianca Aurnhammer ½ ½ 0   0 1 + 3
5. Patrick D'Addona - - ½ 1   1 - 2½
6. Benedikt Tratzmiller 0 1 0 0 0   + 2
7. Axel Hoch - 0 - - - -   0

 

Nur zwei der vier Donauwörther Schach-Mädels konnten ihr Versprechen, sich nächstes Jahr auf der Nordschwäbischen Jugendeinzelmeisterschaft erneut zu beweisen, wahr machen, da Vogel Anna und Gatej Corinna leider schon zu alt waren.

Aurnhammer Bianca und Riedelsheimer Julia schafften es aber auch ohne weitere Vereinsmitglieder wunderbare Ergebnisse zu erzielen. Bianca verfehlte mit einem guten vierten Platz nur ganz knapp die Qualifizierung zur Schwäbischen Jugendeinzelmeisterschaft. Darum muss Julia, die mit einem 2. Platz den Vize-Titel und eine  Einladung zur SJEM abstaubte, die Farben der ESG Donauwörth in Dinkelscherben wohl alleine vertreten.

Wie im letzten Jahr, fand auch dieses Mal die erste Runde in einem Gasthaus in Wertingen statt. Mit ihr startete wohl eine der seltsamsten Nordschwäbischen aller Zeiten. Das erste Kuriosum war die U16, der einerseits nur vier Spieler angehörten, die dann auch noch andererseits alle für die Schwäbische qualifiziert waren, da Martin Wagner vorberechtigt war. Relativ normal ging es noch zu, als Bianca und Julia, ihre erste Runde antraten – unter dem wachsamen Blick des Jugendleiters David Reitsam, der als Fahrer und moralische Unterstützung fungierte. Bianca hatte gegen Erich Lambacher mit einer eher selten gespielten Schotten-Variation (Dh4+) zu kämpfen und trat in einer eher unglücklichen Stellung das Mittelspiel an. Dieses wusste Erich Lambacher trotz zäher Verteidigung in einen Gewinn umzumünzen. Julia bekam gegen Axel Hoch die genau gleichen Züge wie vor einem Jahr bei ihrer ersten Begegnung auf das Brett: Philidor-Verteidung. Dieses Jahr war der Ichenhausener aber nicht ganz so auf der Höhe und sah sich aufgrund des starken Druckspiels immer mehr in die Verteidigung gezwungen, um nach einer aufgebrochenen Königsstellung in ein Mattnetz zu stolpern.

In der zweiten Runde – während der David sich noch immer mit einem Dillinger Trainer beim Blitzen vergnügte – traf Bianca auf den laut Setzliste stärksten Spieler und hatte im Skandinavischen Probleme damit, ihre Dame nicht abhanden kommen zu lassen. Als dies erfolgreich verhindert war, lief das Spiel eine Weile vor sich hin, bis der spätere Fünft-Platzierte mit einer Gabel eine Figur und die Partie gewann. Währenddessen kam Julia gegen Biancas ersten Gegner und beide hatten im Caro-Kann mit der Vorstoß-Variante ausgeglichene Chancen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Julia das "Hamstern" anfing, zuerst einen Bauern, dann einen Turm und letztenendes einen Läufer gewann, was Erich dazu nötigte, aufzugeben.

Auch am zweiten Spielsamstag in Ichenhausen war David Reitsam als Trainer mit am Start und im Gegensatz zur Odyssee des Vorjahres fanden sie das Sportheim (besser gesagt eines der drei in Ichenhausen) sofort. Hans Baur schaute zur Freude der beiden Spielerinnen ebenfalls zu und stand mit Rat und Tat zur Seite. Nun begannen die Kuriositäten der NSJEM 2009: Noch vor der ersten der drei Runden erfuhren die Donauwörther, dass Axel Hoch nach der einen Runde gegen Julia und seiner zweiten Kampflos-Partie die Segel gestrichen und seine Teilnahme an dem Turnier beendet hat. Kurz darauf wurde ihnen gesagt, dass Patrick D'Adonna den ganzen Spieltag verhindert sei, was sowohl für Bianca als auch für Julia, die momentan mit demselbigen Tabellenführer war, einen Kampflos-Sieg. Und als wäre all das noch nicht genug, kam auch noch ein Spieler, der am ersten Tag noch nicht anwesend war, dazu (und wurde nach diesem Spieltag prompt Tabellenführer und – so viel sei schon mal verraten – Nordschwäbischer Jugendeinzelmeister) Nach all diesen Informationen hatte  Julia, die in der ersten Runde nicht spielte (bzw. keine Turnier-Partie, sondern mit Hans und David blitze), einiges zu verdauen. Bianca spielte zur gleichen Zeit eine wirklich brillante Partie gegen Dillinger Neuling Tratzmiller Benedikt. Nach einem Schotten wie aus dem Lehrbuch eroberte Bianca sich zuerst die aktivere Stellung und später einen Bauer. Schließlich tauschte sie dann die Dame gegen zwei Türme, um letztenendes mit zwei Türmen gegen Benedikts verbleibende Figuren – ein paar Bauern und den König – anzutreten. Dies reichte dem Dillinger dann, um aufzugeben. Das war definitiv die Glanzpartie und das Highlight der Nordschwäbischen und bietet ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig aktives Spiel und Positionsgefühl doch sind.

Nun trafen die beiden Donauwörther Spielerinnen aufeinander. Im Gegensatz zum Vorjahr hatten sie den Vorsatz das Spiel nicht zu schieben, sondern ernsthaft auszutragen. In einem heißen Gefecht, beginnend mit einem Skandinavier, hätte zuerst Julia Biancas Dame einfangen können, hatte aber nicht gesehen, wie. Und zu einem späteren Zeitpunkt des Spiels, während dessen Bianca positionell eindeutig besser stand, versäumte eben jene es, Julias Dame zu erobern und verlor auch den erkämpften Mehrbauern durch einen Spieß, der ihrer Gegnerin die Qualität gegen den Läufer verschaffte. In der daraus resultierenden Stellung blieb fast nichts anderes, als doch einem Unentschieden einzuwilligen, da Julia selbiges aufgrund eines Dauerschachs ohnehin hätte provozieren können.

Bianca hatte da schon Feierabend und sah mit Hans und David die wundervolle Tratzmiller-Partie an, während Julia mit eben jenem das Vergnügen hatte. Ganz langsam startete die Partie mit einem etwas seltsam gearteten Caro-Kann, das zu einem späteren Zeitpunkt Vorstoß-Französiche Gestalten annahm (was David sehr freute, weil er meinte, er habe endlich seine Schützlinge dazu bewegt diese Eröffnung zu spielen). Aufgrund einer Fesselung gelang es Julia dem Dillinger einen Bauern sowie das aktive Spiel abzutrotzen. Als dieser jedoch einen Läufer opferte und Julia etwas zu siegessicher das "Geschenk" annahm, bekam er aktives Gegenspiel. Julia hatte eine konstante Matt-Drohung auf dem Brett, die ihr allerdings wenig nützte, da Benedikt unentwegt Schachs mit seiner Dame herabrieseln ließ. Er hatte das Remis aufgrund eines Dauerschachs sicher, Julia fand jedoch den einzig verkehrten Zug, der die Partie mit einem einzügigen Matt verlor. Und das alles aufgrund eines seltsamen Gedankengangs a la Julia "Ja, hm, also, der Turm, der ist vor den König gefesselt, deswegen kann er die Dame auch nicht decken und deswegen kann die auch nicht mattsetzen ..." Nun ja, solche Ausrutscher gehören zum Schach-Alltag oder ist ein Beleg für die von Michail Tal in seinem Buch beschriebene amaurosis scacchistica, zu deutsch: die Schachblindheit.

Am dritten Tag im Dillinger Colleg wurde es richtig spannend: Schaffte Bianca ein Remis gegen den Tabellenführer Maximilian Adam, hätte Julia noch Chancen auf den Titel, gewann sie, wäre Bianca sicher qualifiziert für die Schwäbische. Nach ziemlich viel Sport (in den zweiten Stock, weil man dort letztes Jahr gespielt hatte, dann ins Erdgeschoss, weil dort nichts war, dann in den dritten, schließlich doch nach ganz oben, wo dann wirklich gespielt wurde) mussten Hans – der diesmal der Fahrer war – und Julia doch wieder in den zweiten, da sie Bianca bei ihrer entscheidenden Partie durch ihre Anwesenheit nicht noch nervöser machen wollten. Also spielten sie im Analyse-Raum munter vor sich hin und als sie beschlossen doch einmal nach Bianca zu sehen, kam die ihnen auf der Treppe vor Freude strahlend mit einer Remis-Partie in der Hand entgegen. In einem sehr seltsam anmaßenden Schotten spielte Bianca immer grundsolide und aufmerksam, wohingegen Maximilian Adam sich die meiste Zeit in die Verteidigung gedrängt sah. Bei seinem Remis-Angebot besaß Bianca zwar die eindeutig bessere Stellung, aber wie Simon Webb schon in "Schach für Tiger" schreibt: nichts ist schwieriger, als eine gewonnene Stellung zu gewinnen. Darum entschied sich die Donauwörtherin für das Remis – nicht, dass sie Gefahr laufen würde, die Partie aufgrund eines Fehlers doch noch wegzuschmeißen und Julia den Weg zu verbauen. Für die Qualifikation war für Bianca nur noch zu hoffen, dass Lambacher Erich gegen Patrick D'Adonna verlor, womit Dinkelscherben absolut sicher gewesen wäre.

Die beiden einigten sich allerdings auf ein kameradschaftliches Unentschieden, weswegen Bianca hoffen musste, dass Benedikt Tratzmiller der Sieger in der abschließenden Partie gegen Erich Lambacher sein würde. Dies war allerdings nicht die einzige Entscheidung, die in der letzten Runde noch gefällt wurde: Julia und Maximilian Adam befanden sich im aktiven Kampf um dem Titel. Die Spielerin musste auf Sieg spielen, denn ihm würde ein Remis zum Pokal genügen. Innerlich stöhnte Julia schon nach dem d4 auf, entwickelte ihre Figuren gut, bekam eine aktive Stellung, versäumte es allerdings, die Spannung im Zentrum etwas länger aufrechtzuerhalten. Maximilian Adam wickelte einmal verkehrt herum ab, was Julia einen Bauerngewinn und die aktivere Stellung ermöglichte. Zu früh gefreut, denn die Donauwörtherin hatte keine Ahnung, wie die Position besser auszubauen oder die Schwachpunkte des Gegners weiter zu unterminieren waren, beging einen Fehler, der eine Leichtfigur verlor, woraufhin das Remis-Angebot des späteren Turniersiegers eine noch sehr nette Geste war. Da die Plätze eins und zwei bereits feststanden war es noch daran zu bangen, wie das Spiel Tratzmiller-Lambacher wohl enden mochte. Es sah gut aus für den Dillinger und damit für Biancas Qualifikation, bis dieser unglücklicherweise einen Springer verlor und damit der Traum von zwei Donauwörther Mädels in Dinkelscherben im wahrsten Sinne des Wortes davon galoppierte.

Zusammenfassend ist allerdings zu sagen, dass Julia und Bianca sich im Vergleich zum letzten Jahr, in dem sie beide gemeinsam Letzte wurden, eindeutig gemausert hatten und neben viel Erfahrung beide eine Tafel Schokolade und die eine auch noch einen Umschlag mit einer Einladung zur Schwäbischen Jugendeinzelmeisterschaft mit nach Hause brachten.

von Julia vom 07.11.2009